BGH erleichtert Nachweis der Zahlungsunfähigkeit

BGH erleichtert Nachweis der Zahlungsunfähigkeit

Im Haftungsfall eines Geschäftsführers wegen Insolvenzverschleppung hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 28.6.2022, Az. II ZR 112/21) jüngst dem Insolvenzverwalter eine weitere Möglichkeit zum Nachweis der Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens zugestanden.

Bislang forderte der Bundesgerichtshof (Az. IX ZR 123/04 und II ZR 88/16) für den Nachweis der Zahlungsunfähigkeit das Aufstellen einer Liquiditätsbilanz über einen Zeitraum von drei Wochen, bei der Aktiva I und Aktiva II den Passiva I und Passiva II gegenübergestellt werden mussten, wenn zum Betrachtungsstichtag eine Liquiditätslücke vorlag.

Zur Klarstellung: In der Betriebswirtschaftslehre wird mit einer „Bilanz“ eine stichtagsbezogene Betrachtung beschrieben, während eine zeitraumbezogene Betrachtung in der betriebswirtschaftlichen Terminologie als „Plan“ bezeichnet wird. Insofern ist das lt. BGH als „Liquiditätsbilanz“ bezeichnete Rechenwerk als „Liquiditätsplan“ zu verstehen.

In seiner aktuellen Entscheidung rückt der Bundesgerichtshof davon ab, dass vom Insolvenzverwalter zwingend eine Liquiditätsbilanz aufzustellen ist. So spricht laut Bundesgerichtshof nichts dagegen, dass der Insolvenzverwalter den Nachweis der Zahlungsunfähigkeit durch mehrere, tagesgenaue Liquiditätsstatus in einer aussagekräftigen Anzahl erbringt. Der Nachweis der Zahlungsunfähigkeit ist laut Gericht erbracht, wenn sich im ersten Liquiditätsstatus am Stichtag eine erhebliche Unterdeckung zeigt und diese Liquiditätslücke im Prognosezeitraum ausweislich der weiteren Liquiditätsstatus nicht in relevanter Weise geschlossen werden kann. Im zu entscheidenden Fall genügten dem Bundesgerichtshof vier Liquiditätsstatus innerhalb von drei Wochen mit einer Unterdeckung von jeweils über 45 Prozent zum Nachweis der Zahlungsunfähigkeit.

Die Möglichkeit der aufeinanderfolgenden stichtagsbezogenen Liquiditätsstatus zum Nachweis der Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens kann jedoch dazu führen, dass eine haftungsauslösende Zahlungsunfähigkeit früher festgestellt wird als dies bei Aufstellung einer Liquiditätsbilanz der Fall ist. Schließlich werden im Liquiditätsstatus nur die an einem Stichtag vorliegenden liquiden Mittel und fälligen Verbindlichkeiten verglichen. Die Betrachtung über einen Zeitraum mit Prognose, wie bei der Liquiditätsbilanz, entfällt.

Für den Insolvenzverwalter ist der Wegfall der Liquiditätsbilanz und die Anwendung der aufeinanderfolgenden Liquiditätsstatus zum Nachweis der Zahlungsunfähigkeit im Haftungsprozess gegenüber dem Geschäftsführer eine Erleichterung. Für diesen wiederum kann das BGH-Urteil jedoch Haftungsrisiken bergen. So kann sich nun in einem späteren Haftungsprozess anhand von mehreren Liquiditätsstatus herausstellen, dass die Zahlungsunfähigkeit schon zu einem früheren Zeitpunkt gegeben war und Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen, obwohl ggfs. liquide Mittel in absehbarer Zeit in Aussicht standen. Aus diesem Grund empfiehlt es sich nach wie vor eine Liquiditätsbilanz aufzustellen, die den Gegenbeweis erbringen kann.

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